GROMA-Essay
von
Klaus Schöning
 
 
GROMA – PROJEKTIDEE
GROMA ist eine urbane Klanginstallation, die für die Neustadt ‘Rheinauhafen’ in Köln konzipiert wurde. Die modulare Struktur der Arbeit bilden die zwei Hauptaufgänge der längsten Tiefgarage Europas, die mit ihren 26 Parkaufgängen das Gelände des Rheinauhafens für den Autoverkehr im Untergrund erschließt. Die zentralen Treppenhauszugänge der Tiefgarage TR.5.02 am Harry-Blum-Platz und TR.7.02 auf dem Elisabeth-Treskow-Platz sind die Aufführungsorte der Vokal- und Klanginstallation GROMA.

Die Treppenabgänge wurden von dem Hamburger Architekturbüro BRT als Glas- Stahlkonstruktionen geplant und bilden den Transfer zwischen der mobilen Anbindungsebene im Untergrund und dem autofreien urbanen Areal an der Oberfläche. Historische wie aktuelle urbane Entwicklungen dieses neuen städtischen Quartiers sind der künstlerische Ausgangpunkt für die permanente Klangkomposition GROMA, die vokal vorgetragenen antiken Texte zur Baukultur und Klangaufnahmen aus ausgewählten urbanen Bereichen der Kölner Partnerstädte Lüttich und Rotterdam zusammenführt. Im Treppenhaus TR.5.02 werden die Klänge aus Rotterdam, im Treppenhaus TR.7.02 die aus Lüttich projiziert. Die von einer Frauen- und einer Männerstimme vorgetragenen Texte kommen im Wechsel mit den Stadtklängen in beiden Treppenabgängen zu einer fortlaufenden Aufführung. Im Zentrum der Textauswahl stehen Vitruvs “Zehn Bücher über Architektur”, die einzige zusammenhängende Überlieferung aus der Antike zum Bauwesen, zur Ästhetik und angrenzenden Bereichen. Die Themen sind die ästhetische Ableitung des so genannten “Goldenen Schnitts” aus dem menschlichen Maß, die Ausrichtung von Städten und die Anordnung von Gebäuden im urbanen Gefüge. Das ca. 20 v.Chr. entstandene Werk war durch seine Wiederentdeckung eine der wesentlichen inhaltlichen Grundlagen der Baukunst der Renaissance. Auch der Klassizismus des 19. Jahrhunderts und Le Corbusier im 20. Jahrhundert haben sich die Inhalte für zeitgenössische architektonische Aufgabenstellungen wieder angeeignet. Die Neuinterpretation der Inhalte setzt sich in der Baukultur in verschiedenen Brechungen bis in die Gegenwart fort.

Die Auswahl der Kölner Partnerstädte Lüttich und Rotterdam als Untersuchungsfelder urbaner Klänge für die Klanginstallation GROMA basiert auf der völkerverbindenden Idee einer Ringpartnerschaft, die in Folge der Römischen Verträge 1958 zwischen sechs europäischen Städten geschlossen wurde. Teil dieses Partnerschaftsrings sind Lüttich und Rotterdam, die für GROMA nach einem universellen urbanen Katalog akustisch untersucht wurden. Er umfasst die Bereiche: Kultureller Raum, Naturraum, Öffentlicher Raum, Politischer Raum, Privater Raum, Städtische Infrastruktur und Wirtschaftsraum. Die vor Ort aufgenommenen Klänge aus den jeweiligen Bereichen der Stadt wurden zu Klangstücken unterschiedlicher Länge gemischt und in der Komposition anhand der Kategorien mit den thematisch korrespondierenden antiken Textteilen verknüpft.

Durch die Überführung von realen Stadtklängen und Textüberlieferungen in einen akustischen Modellraum entsteht eine experimentelle Anordnung, die ein begehbares künstlerisches Feld in den beiden Treppenaufgängen eröffnet. Aleatorische Funktionen in der Komposition erweitern diesen Modellraum durch eine eigenständige unbestimmbare Dynamik und setzen gleichzeitig ein fortlaufendes selbsterzeugendes Auswahlsystem für die Klangelemente in Gang. Der Einsatz eines aleatorischen Entscheidungssystems ist mittelbar ein Reflex auf die Frage nach Ordnungs- und Freiheitsgraden von Gemeinwesen.
GROMA
Der Titel der Arbeit leitet sich von dem römischen Vermessungsinstrument groma ab, das von römischen Landvermessern, den so genannten Agrimensoren genutzt wurde. Es besteht aus einem horizontalen, in der Mitte drehbar aufgehängten Messkreuz, das durch 4 Lote an den Kreuzenden in der Senkrechten bestimmt wird. Die groma wurde unter anderem für die Einmessung der städtischen Hauptachsen nach dem Sonnenstand genutzt, mit den Hauptachsen cardo maximus – der Nord-Süd-Achse – und decumanus maximus – der West-Ost-Achse. In Köln zeigt sich die römische Nord-Süd-Achse in der heutigen Hohe Straße, die West-Ost-Achse in der Schildergasse.

Auf dem Schnittpunkt der Hauptachsen lag üblicherweise das Forum, der urbane Zentralplatz, der auch in Köln an dieser Stelle lag. Dem Forum kommt seit griechischer und römischer Zeit neben seiner Handelsfunktion auch eine politische Bedeutung als Versammlungsplatz zu.
Der Titel der Arbeit verweist auf diese in dem Gerät eingeschriebene universelle Matrix des Strukturierens hin.